Mein Vater Paul Voell

Mein Vater Paul Voell war das lang ersehnte Kind des Ehepaares Paul Voell, geboren 1902 in Köln, und Gertrud Voell, geborene Peiffer, geboren 1904 in Odenkirchen. Am 24. April 1928 hatten sie in Odenkirchen die Ehe geschlossen. Kurz vor der Geburt meines Vaters zogen meine Großeltern aus beruflichen Gründen von Rheydt nach Neuss, wo mein Vater auch am 26. Juli 1935 geboren wurde. Ursprünglich stammt die Familie Voell aus der kleinen Eifel-Gemeinde Mützenich bei Monschau. Ob der Name mit Umlaut "ö" oder mit "oe" geschrieben wird, lag an der Willkür des Standesbeamten. Tatsächlich sind die Voell und Völl miteinander verwandt oder verschwägert. Die Familie meiner Großeltern mütterlicherseits, die Peiffer aus Geistenbeck, ließen sich auf eigenen Wunsch im Telefonbuch unter dem Namen Pfeiffer eintragen, weil ihnen Peiffer zu platt klang. Mein Vater fand diese Entscheidung der Familie seiner Mutter, nachdem er ihre Telefonnummer vergeblich unter der eigentlich richtigen Schreibweise im Telefonbuch gesucht hatte, "völlig bekloppt", was übrigens einer seiner Lieblingsausdrücke war. Mein Großvater väterlicherseits, war ein ambitionierter Reichsbahnbeamter, der bereits zum Zeitpunkt der Geburt meines Vaters Lokomotivführer war, was zur damaligen Zeit noch ein echter Traumberuf für Männer war, vergleichbar mit dem des Verkehrsflugzeugführers in der heutigen Zeit. Er hatte sich allerdings vom einfachen Reichsbahnarbeiter hocharbeiten müssen. Die Reichsbahn konnte ihn, den gelernten Maschinenschlosser, nicht direkt zum Lokomotivführer ausbilden lassen, weil es in der Zeit der großen Wirtschaftskrise einen entsprechenden Einstellungsstopp gab.

Es wurden also nur diejenigen zum Lokomotivführer ausgebildet, die bereit waren, vorher einige Jahre in der sogenannten Rotte als Reichsbahnarbeiter Dienste zu leisten. Da aber bereits sein Vater Lokomotivführer war, wollte auch er diesen Beruf unbedingt ausüben und fing als einfacher Arbeiter bei der Reichsbahn an. Die beruflichen Ambitionen meines Großvaters waren auch der Grund dafür, dass bald nach der Geburt meines Vaters die kleine Familie von Neuss nach Insterburg in Ostpreußen umzog, wo sie bis zum vierten Lebensjahr meines Vaters lebte und dann nach Passau in Niederbayern zog. Dort verbrachte mein Vater eine sehr glückliche Kindheit, war auf dem Gymnasium Klassenprimus und erhielt als vielversprechendes musikalisches Talent Geigenunterricht. Doch im Jahre 1948 nahm diese glückliche Phase seines Lebens durch einen Arbeitsunfall seines Vaters ein jähes Ende. Mein Großvater der mittlerweile Lokomotivführer-Fahrlehrer war, hatte das getan, wovor er seine Schüler immer eindringlich gewarnt hatte: Er kletterte auf den Vorbau der unter Volldampf stehenden Lokomotive, die noch im Schuppen stand und wurde von der Lokomotive, die sich aus nie geklärten Gründen plötzlich in Bewegung setzte, an der Schuppenwand zerquetscht. Mein Vater, der inzwischen 13 Jahre alt war, wurde aus der Schule kommend, mit der Nachricht des Unfalltodes seines geliebten Vaters konfrontiert und niemand konnte ihn davon abhalten, den Leichnam seines Vaters noch einmal zu sehen. Dieses tragische Ereignis im Leben meines Vaters wird auch oft als die Ursache der phasenweise auftretenden krankhaften Stimmungsschwankungen angesehen, unter denen mein Vater und mittelbar auch seine Angehörigen und Nachbarn auf der Kamphausener Höhe litten. Erst in seinen letzten beiden Lebensjahrzehnten konnte er durch medikamentöse Behandlung mit seinem Leiden souverän und verantwortungsvoll umgehen. Die Mutter meines Vaters, von meinen beiden Geschwistern Cornelia und Christian und mir Omi genannt, verließ nach dem tödlichen Unfall meines Großvaters Hals über Kopf Passau und kehrte zu ihrer Familie zurück. Die Familie Peiffer wohnte auf der Steinfelderstraße und betrieb ein kleines Fuhrunternehmen mit Kohlenhandlung.

Der Leichnam meines Großvaters wurde nach Rheydt überführt und auf dem Friedhof Preyerstraße beerdigt. Mein Vater, das verwöhnte Einzelkind, das in Passau ein eigenes Kinderzimmer hatte, musste im Hause Peiffer in den nächsten Monaten zunächst einmal mit Onkel Peter, dem unverheirateten Bruder seiner Mutter, in einem Zimmer schlafen. Schließlich fand die Omi für sich und meinen Vater eine eigene Wohnung im Haus der Familie Esser in der benachbarten Straße Am Reststrauch. Hier wohnte die Omi noch bis 1970 und ich kann mich noch gut an das Sofa im Wohnzimmer erinnern, das mein kleiner Bruder und ich gerne als Trampolin benutzten. Paul Voell, der nach dem plötzlichen Tod seines geliebten Vaters völlig neben der Spur lief, wie man heute wohl sagen würde, freundete sich mit Adolf an, dem gleichaltrigen Sohn der Familie Esser. Adolf, der wusste, dass mein Vater bereits gut schwimmen konnte, er hatte es in Passau in der Donau von seinem Vater gelernt überredete meinen Vater, mit ihm zusammen am Schwimmtraining der Schwimmsport Vereinigung (SSV) Rheydt teilzunehmen. 


Das tat mein Vater zusammen mit Adolf dann auch ein Mal. Allerdings war er vom Training dort nicht so begeistert und es blieb zunächst bei diesem einmaligen Besuch der Trainingsstunde und mein Vater ging weiter seinen Lieblingsbeschäftigungen nach, die in Schwänzen des Unterrichts am Hugo-Junkers-Gymnasium und dem Besuch der Frühvorstellungen der damals noch zahlreichen Kinos in Rheydt bestand.

Sein besonderes Idol war der Hollywood-Star Montgomery Clift, der oft gebrochene Charaktere darstellte, was zu dieser Zeit in gewisser Weise auch auf meinen Vater zutraf. Zudem war ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Hollywood-Star nicht abzusprechen. Mein Vater war recht erstaunt, als er dann zum Jahreswechsel 1949/1950 eine Beitragsrechnung der SSV Rheydt e. V. erhielt. Er hatte nämlich direkt bei seinem ersten Besuch der Trainingsstunde einen Mitgliedsantrag unterschrieben. Daraufhin beschloss mein Vater, das Geld für die Vereinsmitgliedschaft durch möglichst häufige Nutzung der Trainingsstunden "herauszuschwimmen" und zu baden. Schon bald erkannte der Trainer Karl Arthur "Kalla" Esser (nicht verwandt mit Adolf) sein enormes schwimmerisches Talent und nahm ihn unter seine Fittiche. Schon am 6. Juli 1952 gewann Paul Voell dann als noch 16-jähriger in Berlin die damals noch gesamtdeutsche Meisterschaft mit der Zeit von 59,9 Sekunden über 100m Freistil. Mein Vater war zwar nicht, wie häufig erzählt wurde, der erste Deutsche, der die 100 Meter Freistil unter einer Minute geschwommen ist, sozusagen die deutsche Antwort auf Johnny Weißmüller, aber er ist mit 16 Jahren bis heute der jüngste deutsche Meister in dieser schwimmerischen Königsdisziplin.

Deutsche Schwimmmeisterschaft in Pirmasens 1956

Als die Meldung von seinem Gewinn der Deutschen Meisterschaft an einem heißen Julitag mit einer Lautsprecherdurchsage in dem sehr gut besuchten Freibad Beller Mühle und im Grenzlandstadion, in dem gerade das Rheydter Turn- und Sportfest stattfand, bekannt gegeben wurde, sollen
 Jubelstürme ausgebrochen sein, die noch über die Grenzen der damals noch selbstständigen Stadt Rheydt zu hören waren und mein Vater wurde bei seiner Rückkehr aus Berlin vom Hauptbahnhof Neuss bis nach Rheydt in einem Autokorso von seinen Fans abgeholt und gefeiert. Die weiteren sportlichen Erfolge stabilisierten das Leben meines Vaters. Er hatte das Hugo-Junkers-Gymnasium mit der "Mittleren Reife" verlassen, weil seine dortigen Leistungen verglichen mit denen im Passauer Gymnasium eher bescheiden waren. Meinem Vater, der in Passau immer gerne das Gymnasium besucht hatte, machte die neue Schule keinen Spaß mehr, aus dem einfachen Grund, weil er dort nicht der Klassenbeste wie in Passau war.

Nach dem Abgang vom Gymnasium fand er mit der Ausbildung zum Finanzassistenten im mittleren Dienst der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen endlich die Ausbildung, die seiner mathematischen Begabung entsprach und die er dann auch erfolgreich beendete.

Mein Vater war dann der schwimmende Steuerassistent, seine sportlichen Konkurrenten zumeist Gymnasiasten oder Studenten. Er hat sein Leben lang bereut, dass er kein Abitur und nicht studiert hatte, und warf dann seiner Mutter, also der Omi, zeitweise vor, bei seiner Erziehung versagt zu haben.

Ich versuchte ihn dann immer mit der rheinischen Lebensweisheit "et kütt wie et kütt" zu trösten, und damit, dass seine sportlichen Erfolge und der dadurch erlangte Ruhm doch viel mehr wiegen würden als die Allgemeine Hochschulreife und ein eventuell mit Erfolg abgeschlossenes Hochschulstudium. Das hat ihn dann immer beruhigt und ich glaube, das wollte er auch nur von mir, dem er ja das Jura-Studium finanzierte, hören. Hätte mein Vater studiert, dann sicherlich auch Jura oder aber Geschichte, für die er sich leidenschaftlich interessierte und ich bin mir sicher, dass er dann eine akademische Laufbahn eingeschlagen hätte und wahrscheinlich in der Lehre tätig gewesen wäre, weil er über sehr gute pädagogische und didaktische Fähigkeiten verfügte. Mit der von ihm errungenen Deutschen Meisterschaft über 100 Meter Freistil im Jahr 1952 hätte sich mein Vater eigentlich für die Olympischen Spiele in Helsinki qualifiziert. Ihm blieb aber die Aufnahme in die deutsche Olympiamannschaft versagt, zum einen, weil man den schnöseligen Teenager als schwimmerische "Eintagsfliege" einschätzte, und ihm nicht die Konstanz zutraute, seine Leistung bei den Spielen zu wiederholen, zum anderen muss man bedenken, dass in Helsinki die ersten Olympischen Spiele nach dem 2. Weltkrieg waren, zu denen eine damals noch gesamtdeutsche Mannschaft eingeladen war und die entsprechenden Budgets der Sportverbände der jungen Bundesrepublik und der DDR waren beschränkt. 

Deutsche Schwimmm-Olympia-Mannschaft 1956

In den folgenden Jahren bewies mein Vater jedoch, dass der Erfolg von Berlin im Jahr 1952 nicht einmalig war, sondern er wiederholte diesen, indem er in den folgenden Jahren 1954, 1955, 1956, 1957 und 1958 fünfmal hintereinander Deutscher Meister über 100 Meter Freistil wurde. Diese Häufigkeit des Titelgewinns dürfte für diese Strecke ein weiterer Rekord in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg sein. 1957 brach er dann den seit 1936 bestehenden Deutschen Rekord über 100 Meter Freistil und war sogar für kurze Zeit Inhaber des Deutschen Rekords über 200 Meter Freistil, obwohl dies nicht gerade seine Spezialdisziplin war.

1954 und 1958 startete er bei den Schwimm-Europameisterschaften in Budapest und in Turin über 100 Meter Freistil und in den Staffelwettbewerben.

Schwimm-Europameisterschaft in Budapest 1958

Die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Melbourne 1956 war bestimmt einer der Höhepunkte in der sportlichen Karriere von Paul Voell. Die Anreise erfolgte in östlicher Himmelsrichtung über Asien mit Passagiermaschinen, die noch nicht über Düsenantrieb verfügten, also mit Propellerflugzeugen, und daher mit vielen Zwischenlandungen und dauerte daher fast eine Woche. In Melbourne erreichte er das Halbfinale und wurde dort Siebter. Mein Vater bekam von der Stadt Rheydt eine Super-8-Kamera zur Verfügung gestellt, das Filmmaterial sponserte ein Rheydter Unternehmer, und er fertigte dort beeindruckende Aufnahmen auch von den anderen Sportarten an. Der Rückflug in die Heimat erfolgte in östlicher Richtung mit Zwischenaufenthalten in Hawaii und Kalifornien, so dass die Reise nach Australien eine Weltumrundung wurde. In Kalifornien waren dann die Sportler bei Gastfamilien untergebracht und seine Gastgeber präsentierten meinem Vater stolz die Schönheiten ihres Staates und dessen hervorragende Sportstätten und fragten an, ob er sich nicht vorstellen könnte, dort zu trainieren und zu studieren und für eine kalifornische Universität Wettkämpfe zu bestreiten. Dazu hatte mein Vater jedoch keine Lust, weil er doch sehr mit seiner Heimat verbunden und schon mit Renate Gerresheim liiert war. Tatsächlich blieb dies der einzige Aufenthalt meines Vaters in den Vereinigten Staaten und er wollte dort auch später nie Urlaub machen. Er hatte eine eher distanzierte Ansicht zu den USA und den Entscheidungen dort war: "Die spinnen, die Amis".

Nach den Olympischen Spielen in Melbourne 1956 hörte er mit dem spezifischen Schwimmtraining auf und spielte bei der SSV Rheydt nur noch Wasserball. Er liebte diesen Sport und hätte auch gerne in der höchsten Spielklasse gespielt, aber dies wäre nur mit einem Vereinswechsel, etwa nach Uerdingen oder nach Duisburg, möglich gewesen und kam daher für meinen Vater nicht in Betracht, weil er sich seinem Verein SSV Rheydt, für den er auch bis zu seinem Tod im Vorstand tätig war, sehr verbunden fühlte.

Auch ohne größeren Trainingsaufwand errang er dann noch die Deutschen Meisterschaften 1957 und 1958. Im Jahr 1958 erlitt mein Vater eine lebensgefährliche Entzündung beider Nieren, die eigentlich das Ende seiner sportlichen Laufbahn hätte bedeuten müssen. Eine Ursache für diese Erkrankung war möglicherweise der häufige Aufenthalt in unbeheiztem Wasser. Zum Glück konnte sich mein Vater von dieser schweren Erkrankung wieder erholen und auch seine Hochzeit mit der zwanzigjährigen Renate Gerresheim konnte 1958 stattfinden, allerdings nicht die geplante Hochzeitsreise nach Italien. Diese sollte in Verbindung mit einem dortigen Schwimmwettkampf stattfinden, zu dem mein Vater eingeladen war, dessen Teilnahme er aber wegen seiner Erkrankung hatte absagen müssen.

Im Jahr 1959 nahm er deshalb auch nicht an Deutschen Meisterschaften teil. Als er im Jahr 1960 jedoch hörte, welche Fabelzeiten angeblich seine Konkurrenten in der DDR über seine Paradedisziplin in der Olympiaqualifikation für das gesamtdeutsche Schwimmteam schwammen, bat er seinen Trainer Kalla Esser, ihn auch für das Olympia-Ausscheidungsturnier für die Olympischen Sommerspiele in Rom zu melden. Trotz seines geringen Trainingspensums konnte er dieses für sich entscheiden und der Deutsche Schwimmverband musste ihn für die Spiele in Rom nominieren. Mein Vater war nämlich wegen seines Eigensinns bei den Funktionären des Westdeutschen und Deutschen Schwimmverbandes nicht so beliebt und hatte an den vielen Vorbereitungslehrgängen für die Olympische Spiele nicht teilgenommen. Auch bei den Olympischen Spielen in Rom erreichte er den 7. Platz im Halbfinale. Dies war nun wirklich der Höhepunkt der imposanten sportlichen Karriere von Paul Voell, auch wenn er 1964 noch einmal mit einer Staffel seines Vereins SSV Rheydt an den Deutschen Meisterschaften teilnahm. Mit sechs deutschen Meisterschaften über 100 Meter Freistil und zwei Olympiateilnahmen war er der herausragende Schwimmer Deutschlands in den fünfziger Jahren und bis heute einer der erfolgreichsten Einzelsportler seiner Heimatstadt Rheydt und damit auch von Mönchengladbach. Hinzu kommen noch sechs deutsche Meisterschaften, die er in der Halle, also auf der kurzen 25 Meter Bahn, errungen hat. In den 70er Jahren begann man auch Senioren-Wettkämpfe im Schwimmen auszutragen. Diese waren anfangs noch Veranstaltungen, bei denen der Spaß und das Wiedersehen mit den alten Schwimmkameraden im Vordergrund standen. Auch hier errang mein Vater mehrere Deutsche Meisterschaften in seiner Altersklasse, allerdings über 50 Meter Freistil. Wir drei Kinder, 1962, 1964 und 1966 geboren, haben bis auf die besagten Seniorenwettkämpfe und die Wasserballspiele die Karriere unseres Vaters gar nicht selbst erlebt, wurden aber immer wieder darauf angesprochen und waren uns der sportlichen Leistungen unseres Vaters bewusst und natürlich auch stolz darauf. Mein Vater war als Beamter in der Finanzverwaltung im mittleren Dienst tätig und hat dort auch sehr gerne gearbeitet. Allerdings machte ihm sein Vorgesetzter, der ihn wohl auch nicht so gut leiden konnte, schon früh klar, dass er dort in der Finanzverwaltung keine Chance haben würde, den Aufstieg in den gehobenen Dienst zu erreichen, weil er eben nur die mittlere Reife hatte. Die offiziellen Führungskräfte der Stadt Rheydt, die die Werbung, die die Stadt durch die sportlichen Erfolge meines Vaters erfuhr und die sie zu schätzen wussten, hatten ihm mitgeteilt, dass er sich an sie wenden sollte, wenn sie einmal etwas für ihn tun könnten. Mein Vater bewarb sich nun bei der Stadt Rheydt unter der Voraussetzung, dort die Prüfung für die Ausbildung zum gehobenen Dienst machen zu dürfen. Dies wurde ihm gewährt. Er absolvierte von 1962 bis 1964 den dreijährigen Lehrgang für den gehobenen Dienst, bei der Verwaltungsakademie des Landes (heute Hochschule für Öffentliche Verwaltungen) bestand die Prüfung und wurde dann als Stadtinspektor bei der Stadt Rheydt beschäftigt. Später ließ er sich dann noch zum Diplom-Verwaltungswirt diplomieren und brachte es bis zum Stadtamtsrat. 1969 erfüllte mein Vater sich und seiner Familie durch den Kauf eines Reihenhauses auf der Kamphausener Höhe den Traum vom Eigenheim. Er war darauf sehr stolz, zumal er den Kauf des Hauses ohne großes Eigenkapital bewerkstelligt hatte. Nach der Scheidung unserer Eltern, die 1981 erfolgte, blieben mein Vater und ich dort wohnen. Nach dem Tode meines Vaters ging das Haus in den Besitz meiner Schwester Cornelia über. 1974, als wir noch eine intakte Familie waren, meldete mein Vater uns beim Odenkirchener Tennisclub an. Zu dieser Zeit wandelte sich gerade der Tennissport vom Upper-Class Sport zum echten Volkssport, wie etwa 30 Jahre später der Golfsport. In den nächsten sechs Jahren verbrachte mein Vater einen großen Teil seiner Freizeit auf dem Tennisplatz. Er konnte nie verstehen, dass wir Kinder diesen Sport nicht mit der gleichen Begeisterung wie er ausüben wollten und erzählte mir, dass er schon als kleiner Junge in Passau als Zaungast beim Tennis zugeschaut und davon geträumt hat, eines Tages selber zu spielen. Nach der Trennung von meiner Mutter verflog schon bald die Begeisterung für den Tennissport. Mein Vater betrieb dann eigentlich gar keinen Sport mehr. Dieser Umstand und sein großer Konsum von Zigaretten war wahrscheinlich die Ursache für den Herzinfarkt, den er 1992 erlitt. Er schaffte es aber auch danach nicht, ganz auf Zigaretten zu verzichten.

Am 4. November 2003 erlitt er in seinem Haus auf der Kamphausener Höhe einen schweren Schlaganfall, den er nur knapp überlebte. Es begann nun ein viermonatiger Leidensweg, in dem sich der Zustand meines Vaters, der am Anfang noch bei klarem Bewusstsein war und sogar noch seinen typischen Humor aufwies, kontinuierlich verschlechterte. Wir Kinder und seine Lebensgefährtin besuchten meinen Vater so oft wie möglich.

Sein alter Trainer und Freund Kalla Esser besuchte ihn täglich.

Als er dann am 27. Februar 2004 im Alter von nur 68 Jahren im Pflegeheim in Benrath verstarb, war der Tod für ihn eine Erlösung.

Wir Kinder werden ihn bis an unser Lebensende in liebevoller Erinnerung behalten, weil er für uns der beste Vater der Welt war.

Die Menschen aber, die unseren Vater als herausragenden Sportler kennengelernt haben, sterben natürlich auch allmählich aus und so verblasst der Ruhm.

Ich bin daher sehr dankbar, dass ich mit diesem Beitrag an den herausragenden Sportler und großartigen Menschen Paul Voell erinnern durfte.


Alexander Voell